Eine Geburt im Geburtshaus

Energetisch, schmerzhaft, kraftvoll: ein Geburtsbericht

Sie wissen aber schon, dass Sie hier aus jeglicher Statistik herausfallen

Achtung, der Text könnte ggf. Trigger beinhalten bezüglich Geburtsschmerz

Wo sind denn jetzt die Wehenpausen?

Nachts gegen 2:30 Uhr kamen sie wieder. Diese leidigen Senkwehen. Tags zuvor hatte ich wie verrückt in unseren Beeten gewütet, Unkraut gezupft, immer mit dem Vorhaben, unsere kleine Tochter heraus zu locken. Die machte es sich nun fast exakt 40 Wochen in meinem Bauch bequem und so langsam - nein - ich hatte JETZT keine Lust mehr. Ich konnte nicht mehr wirklich gut schlafen (nach der Geburt konnte ich das übrigens fast ein Jahr lang auch nicht mehr gut 😁 Aber davon hatte ich ja keine Ahnung). Ich habe gewatschelt, ich konnte mich kaum noch bücken, ich mochte nicht mehr. Und das war wohl auch noch Meckern auf hohem Niveau. Andere Beschwerden, außer nächtlichem penetranten Sodbrennen gab es nicht. 

 

Also... da waren sie wieder. Senkwehen ohne Ende. Und schmerzhaft unangenehm. Tja irgendwie hörten die überhaupt nicht mehr auf! Ging es nun doch schon los? Aber wo waren denn die Wehenpausen. Die Pausen von anfangs 5-15 Minuten, von denen uns Schwangeren im Geburtsvorbereitungskurs erzählt wurde. Die Pausen, die wir zum Entspannen und Schlafen nutzen sollten? Auch ein Wehentracker auf dem Handy half nicht weiter. Eine Minute Wehenpause. Sollte ich mal meine Hebamme anrufen? Es war doch erst 4 Uhr. Ich wollte sie nicht wecken. 

Ich weckte meinen Mann

Der schlief ganz selig neben mir und ahnte noch nichts. Ich fragte ihn um Rat. Mittlerweile musste ich mich im Bett hinsetzen, weil es im Liegen kaum ging. Ich veratmete die ersten Wellen und kam mir albern vor. Aber es half, also machte ich weiter. 

Ich freue mich auf die Geburt meines Kindes

Mein Mann und ich scherzten währenddessen und wir waren freudig aufgeregt. Vielleicht halten wir unsere Tochter heute Abend in den Armen. Mein Gedanke dazu: Auf diese Phase habe ich die ganze Schwangerschaft gewartet. Endlich ging es los!

Ich bin eine Schöpferin Postkarte Affirmation Geburt Schwangerschaft

Eine unausgeschlafene Hebamme?

Um 5:40 Uhr rief ich meine Hebamme auf ihrem Festnetztelefon an. Aber ich erreichte niemanden. Oh weih, na gut, versuchen wir es auf dem Handy. 

Meine Hebamme berichtete, sie sei gerade noch als Zweithebamme bei einer Geburt. Aber das Kind sei schon da und sie käme in etwa zwei Stunden auf dem Rückweg bei uns vorbei. Ich sollte noch versuchen etwas zu schlafen und zu entspannen. 

Okay, meine Hebamme war gerade bei einer Geburt und nun kommt die nächste? Warum denn ausgerechnet das?

Mein Mann beruhigte mich etwas. Meine Hebamme sei Profi und habe schon so viele gesunde Kinder zur Welt gebracht, das bekomme sie schon hin.

Gegen 7 Uhr war sie dann bei uns. Bis dahin konnte ich tatsächlich noch etwas dösen. Das Telefonat mit meiner vertrauten Hebamme entspannte mich.

Keine Zentimeterangaben, bitte!!!

Ich hatte mit meiner Hebamme vorab besprochen, dass ich zu keinem Zeitpunkt Informationen über den Zentimeterstatus meines Muttermundes haben wolle. Es sei denn, ich fragte nach. 

Meine Hebamme untersuchte mich. Übrigens tastete sie nur insgesamt zwei Mal während des kompletten Geburtsprozesses nach meinem Muttermund.

Meine Einstellung dazu: Das Kind komme dann schon, wenns kommt. Aus meinem Geburtsbericht weiß ich übrigens, dass ich zu diesem Zeitpunkt bei 1-2cm war. Wenig also... Sie sagte mir im Nachhinein, dass sie bis dato nicht geglaubt hat, dass unsere Tochter noch an diesem Tag zur Welt kommen würde.

Sie empfahl mir nun, noch mal in die Wanne zu steigen. Zu entspannen, zu frühstücken und mich dann noch mal hinzulegen. Auch sie nutze jetzt noch mal die Zeit, etwas Schlaf nach zu holen. Ich solle anrufen, wann immer ich das Bedürfnis dazu haben sollte.

 

In der Wanne begann ich dann das erste Mal, mir ganz bewusst Affirmationen in den Sinn zu rufen, die ich zuvor so oft gelesen hatte.


Ich bin offen für die Energie der Geburt und mein Muttermund öffnet sich wie eine Blume

Das und noch viel mehr affirmierte ich fortwährend. Es gebe nur eine Richtung für meine kleine Tochter. Ab nach draußen. Das wusste ich ganz genau. Immer wieder stellte ich mir vor, wie ich mich öffne. Mittlerweile waren die Wellen sehr heftig, nachdem ich den restlichen Vormittag mit dösen verbrachte. Ich stützte mich beim Veratmen gerne an unsere hohe Kochinsel in der Küche. Etwas essen mochte ich gar nicht mehr so gerne, aber ich wusste, dass ich heute Energie benötigte. Also aß ich. Langsam kam ich schon ins Tönen. Uagh... Ahhhhh. Auaaa. Ooohhh. Oh man - im Ernst? Ja im Ernst: Es half. Ich probierte einige Vokale und kam dann in meinen Ton. Um 14:30 Uhr riefen wir erneut die Hebamme an. Die konnte sich zum Glück auch noch etwas ausschlafen. Gegen drei war sie da und sie untersuchte mich ein zweites Mal. Dazu musste ich mich erneut hinlegen. Liegen war höchst schmerzhaft für mich gewesen und es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, mein Kind auf diese Weise zur Welt zu bringen, wenn es denn jetzt richtig losginge. Aber zu meiner Überraschung konnte ich die Wehen dann doch gut verarbeiten. Und wieder weiß ich aus dem Geburtsbericht: 15 Uhr, Muttermund bei 2 cm.

Hätte meine Hebamme mir diese Information zu diesem Zeitpunkt gegeben, ich weiß nicht, was es mit mir gemacht hätte. In meiner Vorstellung war ich ungefähr bei sechs! Jedenfalls tat es weh(!) und noch weitere 8 Stunden... so erleben!? Puh! (Die Schulmedizin predigt beim Öffnen des Muttermundes 1cm pro Stunde).

Huch, da hat etwas geknackt!

16:05 Uhr, plötzlich verspürte ich solch einen mächtigen Drang aufzustehen, dass ich diesem nachkam. Ich wanderte im Schlafzimmer umher. Und dann war da etwas in mir:

Es knackte, als sprenge man auf seinem Frühstücksei die Eihaut. Es blubberte und ich wusste nicht so recht, ob ich mir jetzt tatsächlich mit meinen 29 Jahren in die Hose gemacht hätte. Ich schaute schnell nach und rief noch aus dem Bad, dass meine Fruchtblase geplatzt sei. Blasensprung.

Meine Hebamme blieb völlig entspannt, irgendwie freudig und meinte dann, dass es jetzt kein Zurück mehr gäbe. Wir sollten uns langsam ins Geburtshaus aufmachen. Sie würde vorfahren, schon mal das Licht und die Heizung aufdrehen und wir sollten ganz in Ruhe nachkommen.

 

Wehen im Auto, wieso noch mal wollte ich keine Hausgeburt?

Innerlich verfluchte ich das Sitzen im Auto. Schon vor dem Einsteigen musste ich eine Welle schon recht laut an unserer Garage veratmen. Für eine Millisekunde kam der Gedanke: Was ist, wenn dich jetzt hier ein neugieriger Dorfnachbar sieht? Sofort schob in den Gedanken weisend in seine Schranken und nahm die Welle mit. Ab ins Auto und los ging es. Ein Segen für denjenigen, der die Halterungen im oberen Bereich der Türen erfunden hat. Daran klammerte ich mich, hielt die Augen geschlossen und mein Mann rauschte los. Kein Stau. Ein Hoch auf die Staufrei-Affirmationen 😏. Die 31 km zum Geburtshaus sind leider sehr Stauintensiv in der Woche. Aber wir hatten Glück am Samstagnachmittag.

Im Auto hatte ich dann einige ganz fiese Wehen und es schmerzte schon fast unaushaltbar. Das Sitzen quälte mich, ich hatte das Bedürfnis aufzustehen! Ich mochte nicht zu laut tönen, denn ich wollte meinen Mann nicht erschrecken. Er sollte uns schließlich sicher ins Geburtshaus bringen...

 

Mein nächster Gedanke: Also das nächste mal entbinde ich zu Hause!

Schwangerschaft und Geburt selbstbestimmt erleben

Ich will hier jetzt nichts trinken!

16:55 Uhr Das Auto ist geparkt, direkt vorm Geburtshaus. Keine Welle! Also sah ich zu, dass ich rein kam. Ich begab mich sofort auf die Toilette. Meine Hebamme und mein Mann tranken noch (gemütlich?) etwas. Ich lehnte unwirsch ab. Danach suchte ich sofort das Geburtszimmer auf.

17:05 Uhr, Ich hing mich in das Tuch, welches ich vor mir sah. Oh Himmel! Da rollten die Übergangswehen auf mich zu. So etwas kräftiges Schmerzhaftes hatte ich noch niemals erfahren! Ich musste schreien, anders konnte ich sie nicht bewältigen. Trotzdem blieb da diese Zuversicht in mir. Ich war so nah dran. Bald hätte ich es geschafft, das wusste ich einfach. Wieder ein Stückchen näher bei meinem Kind.

Ich rief meinen Mann, wo blieb der!? (😂). Ich entledigte mich störender Kleidung. Ich konnte jetzt nichts Hinderndes gebrauchen! Mein Mann war wohl auch etwas überfordert. Ich suchte fieberhaft nach einer richtigen Position und kniete mich dann ans Bett. Später rutschte da irgendwie mein Mann unter meine Arme und ich hielt mich die ganze letzte Stunde der Geburt an ihm fest. Ich zerquetschte ihn beinahe, aber das war eben seine Aufgabe, mich so auszuhalten. ❤️


Ich habe keine Lust mehr

17:15 Uhr beginnt es zu Drücken. Ich kann nichts anderes tun als mitdrücken. Ich will unsere kleine Tochter so schnell wie es geht bei uns wissen. Außerdem möchte ich auch die Geburt gerne hinter mir haben. Geburtsverletzungen waren mir in dem Moment vollkommen egal, unsere Tochter sollte raus! Die Schmerzen verändern sich und sie wurden unbeschreiblich. Ich hatte keine Lust mehr. Ich wollte nicht mehr. Am liebsten wäre ich einfach nach Hause gegangen.  Macht ihr das bitte, aber ich bin weg. Aber Momentchen mal! Waren nicht genau DAS die Gedanken, von denen ich so oft las, kurz bevor es richtig losging? Diese Übergangsphase....? Ich freute mich über diese Erkenntnis und arbeitete weiter.

Mittlerweile ist die zweite Hebamme bei uns, die standardmäßig bei einer Geburtshausgeburt dazu geholt wird. Das bekomme ich aber nur nebenbei mit. Genauso ist es mit der Massage meines unteren Rückens oder die Anwendung des Dopplers. Ich bin sehr bei mir. Meine Hebamme hilft mir, auf die Wehenpausen zu achten und leitet mich zur Entspannung an. Währenddessen reicht sie mir  in jeder Wehenpause Apfelschorle, die gibt mir schnell mehr Energie.

Gleich muss das Köpfchen doch geboren werden

Genau das dachte ich mir mittlerweile immer häufiger. Gleich ist es da. Oh Himmel, es brannte und ich musste an das Lied "Ring of Fire" denken.  Gleich muss der Kopf doch da sein! Gleich!

Meine Hebamme sagte dann plötzlich, dass man schon ein paar Haare sehen könne. Ob ich mal fühlen wolle. Wie bitte? Nur ein paar Haare?Ich lehnte resigniert ab, was ich heute sehr bereue. Aber ich war wohl an der Stelle etwas demotiviert und wollte "bei mir bleiben". Dennoch kamen mir sofort wieder meine Affirmationen in den Sinn. Es gab nur eine Richtung. Mach weiter, du schaffst das!

Die Geburt, ein Wunder

Plötzlich ging es irgendwie ganz schnell. 18:14 Uhr das Köpfchen war da. 18:16 Uhr unsere Tochter kam gesund zur Welt. Ich habe sie zur Welt gebracht. Nur ich. Mit Hilfe meines Mannes und meiner wunderbaren Hebammen. Was für ein Wunder. Diese Stunde kam mir vor wie Minuten. So funktioniert wohl Selbstschutz.

 

Mir war es ganz wichtig, sie nach der Geburt selber hoch zu nehmen. Nun lag sie da. Aufgefangen von meiner Hebamme, aber eben gleich wieder abgelegt. Das Bild habe ich immer noch vor Augen. Es hat sich eingebrannt, ganz tief in mir. Unsere kleine Tochter unter mir. Ich konnte nur starren und war wohl in einer anderen Sphäre. Ich war nicht in der Lage sie zu nehmen. Schließlich gab sie mir meine Hebamme in die Arme. Wir kuschelten uns in das Bett und sie half mir ganz zart beim Anlegen.

18:40 Uhr kam die Plazenta - ganz ohne Oxytocingabe. (Für die Frage bezüglich dieser Maßnahme wurde ich beim Infoabend im Krankenhaus äußerst kritisch angesehen.) Ich war sehr glücklich für diesen Augenblick, für diese Schwangerschaft und genau diese Geburt, hier im Geburtshaus.

Gegen 21 Uhr saßen wir glückselig - nun zu dritt - wieder auf unserem Sofa und versuchten, unser Glück zu begreifen.

Geburt im Geburtshaus selbstbestimmt und wunderschön

Irgendwie wunderschön und tief beeindruckend

Manche nennen es Glück. Ich sage, es war ein Zusammenspiel aus Glück, guter Ernährung, einer positiven Einstellung, Eigenschutz, guter Gene, Vertrauen und noch viel mehr. 

Mein Frauenarzt war zu jeder Zeit der Schwangerschaft ganz entspannt und offen für meine eher alternative Sichtweise, dass wir das im Geburtshaus schon machen werden. Hinterher war er ganz erstaunt und sagte: Sie wissen aber schon, dass Sie hier mit ihrer 13 Stunden Erstgeburt aus allen Statistiken fallen.

 

Da sich ja offensichtlich zwischen Blasensprung und den zuvor gemessenen 2 cm um 15 Uhr,  und der vollständigen Eröffnung zwei Stunden später einiges getan haben muss, halte ich mich eh viel lieber an mein Körperfeedback, als an Statistiken ;).

 

Ich hatte insgesamt 13 Untersuchungen. Sieben davon bei meinem Arzt, sechs bei meiner Hebamme. Das letzte Mal war ich in der 36. SSW beim Gyn. Seit dem gab es kein CTG mehr, davon gab es wenn überhaupt nur zwei oder drei und ich empfand sie als eher unangenehm. Ganz auf meinen Gynäkologen würde ich aber nicht verzichten wollen. Gerade die Untersuchungen am Anfang gaben mir Sicherheit. Die Info-Tasche mit den 100 angstmachenden Prospekten, gesponsert von La Roche, Merck und Co, sowie etlichen Folio-x-y Präparaten schmiss ich recht schnell in den Müll. Ich werde sie zukünftig gleich dort lassen, sollte ich noch mal solch eine Werbe-Tasche erhalten .

 

Ich bin zutiefst dankbar für diese unkomplizierte Schwangerschaft und diese wunderschöne Geburt. Ich kenne nun meinen Urschrei und diese wahnsinns Kraft, die wir Frauen in unserem Körper haben. Wir sind wahre Schöpferinnen!


Und beim nächsten Mal?

... würde ich wohl während der Schwangerschaft alles ganz genau so machen. Und natürlich mein eigenes Kartenset verwenden, statt meiner Kritzelpost it's ;).

Nur möchte ich mich für die zweite Geburt noch mal mit dem Hypnobirthing befassen. Die Geburt vor zwei Jahren war schon sehr sehr schmerzhaft und doch wunderschön. Ich will mich auf eine schmerzfreiere Geburt einstellen.

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Kontakt

Marie-Christin Kelle-Gieseke

Mail: Mariegemacht.info@gmail.com

 

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